SV SANDHAUSEN

Vom Kinderzimmer an den Hardtwald

Wie die Brüder Christian und David Kinsombi ihren Kindheitstraum leben und gemeinsam für den SVS auflaufen.

David, ihr habt gegen Arminia Bielefeld euer erstes Spiel gemeinsam bestritten. Du konntest mit zwei Treffern zum Heimsieg beitragen. War es ein Einstand nach Maß?

David: Es war schon mehr als das. Ich glaube, wir haben sehr gut verteidigt, mutig gespielt und wurden belohnt.

Wie hast Du die Szene empfunden, als Du deinen Bruder nach zwei selbst erzielten Treffern eine super Vorlage gibst, er jedoch nicht verwandeln kann?

David: Die großen Gedanken kamen erst hinterher. Wir haben uns gegenseitig damit aufgezogen und darüber gelacht. Das kannst Du natürlich machen, wenn Du 2:1 gewinnst. Ansonsten hätten wir uns vermutlich sehr geärgert.

Wir fragen den anderen Protagonisten: Chris, wie erging es dir in diesem Moment?

Christian: Ich habe mich in dem Moment schlecht gefühlt, denn ich wollte das Tor erzielen. Es wäre sehr schön gewesen, dreimal Kinsombi auf der Anzeigentafel zu lesen. Am Ende hat es für den Sieg gereicht, deshalb war ich trotzdem glücklich.

Wie war es gemeinsam auf dem Platz zu stehen?

Christian: Beim Warmmachen habe ich erstmal nicht daran gedacht. Beim Einlaufen war es anders, es war ein schönes Gefühl. Während des Spiels realisierte ich es immer mehr. Bei Davids Tor habe ich mich gefreut, als ob ich selbst getroffen hätte. Das war ein schwer zu beschreibendes, aber sehr schönes Gefühl. Ich freu mich auf viele weitere Spiele mit meinem Bruder.

David, Du hast als älterer Bruder schon ein wenig mehr erlebt. Wie war es für dich?

David: Es war etwas Besonderes. Vor dem Spiel habe ich mir wenig Gedanken gemacht, durch die Saisonvorbereitung wurde es fast normal, Christian an meiner Seite zu haben. Erst auf dem Platz war es ein ungewohntes Gefühl. Nach dem Tor war es verrückt, meinen Bruder als erstes bei mir zu haben.

Im Stadion waren Familie und Freunde da. Was bedeutet es euch?

David: Die Unterstützung im Stadion hat uns gefreut - gerade, weil es zeitlich immer schwierig ist, alle an einem Ort zu versammeln.

Chris, Du warst früher am Hardtwald, kennst dich besser beim SVS aus. Wie hast du die Familienzusammenführung in Sandhausen erlebt?

Christian: Ich kann mich nur David anschließen: Es war ein super Gefühl. Es war nicht mehr so, dass einer von uns dem anderen zugeschaut hat. Nun konnten wir gemeinsam spielen. Auch unsere Eltern mussten sich nicht zwischen unseren Spielen entscheiden.

Unser Trainer Alois Schwartz sagte, dass es im Training zwischen euch voll zur Sache geht und ihr euch nicht schont. Ihr seid früher gemeinsam auf den Bolzplatz, hattet ähnliche Verläufe in der Karriere. Jetzt steht ihr gemeinsam beim gleichen Proficlub auf dem Trainingsplatz gegenüber. Daran muss man sich erstmal gewöhnen, oder?

Christian: Ich sehe David als Mitspieler, das ist ganz normal für mich.

David: Dem kann ich nur zustimmen. Wir haben uns früher schon nicht geschont, wenn wir auf dem Bolzplatz gegeneinander spielten (lacht).

David, an deiner alten Wirkungsstätte in Hamburg hat der Aufstiegsdruck vorgeherrscht. Wie hast Du die letzten Tage der Vorbereitung empfunden?

Wir haben uns von vornherein gesagt, dass wir nicht jedes Spiel gewinnen müssen. Wir können ohne großes Störfeuer von außen unsere Arbeit machen, das ist anders als in Hamburg. Jedoch ist die Professionalität in der Vorbereitung auf dem gleichen Level: Wir gehen in jedes Spiel mit 100 Prozent.

Für dich war es bereits die zweite Vorbereitung, Chris. Worin unterscheidet sie sich zur ersten im vergangenen Jahr:

Chris: Beim ersten Mal war es eine neue Mannschaft wir mussten uns erst kennenlernen. Dieses Jahr haben wir uns alle aufeinander gefreut, konnten uns ohne Druck auf die neue Runde vorbereiten.

Was waren deine ersten Gedanken, als Du von Davids Transfer erfahren hast?

Ich habe mich riesig gefreut und wusste, dass wir diese Chance nutzen müssen.

Euer Verhältnis ist sehr harmonisch, ein gutes Team von klein auf an. Wie erlebt ihr die Momente, diesen Kindheitstraum?

David: Ich war die letzten fünf Jahre im Norden, 500 Kilometer weg von der Familie. Die Organisation, um Freunde und Familie zu sehen, war groß. Entsprechend habe ich Chris nicht oft gesehen. Wir waren es früher gewohnt, einander zu haben. Deshalb ist es jetzt schön, im privaten Umfeld wieder kurze Wege zu haben.

Du hast in Kiel als Spielführer schon in jungen Jahren Verantwortung übernommen. Inwiefern hat die Verantwortung deinem Bruder gegenüber dafür eine Rolle gespielt?

David: Die Verantwortung hat mich mein Leben lang begleitet und war unterbewusst sicherlich ein Grund, warum ich in Kiel Kapitän wurde. In diesem Jahr habe ich viel gelernt, das war eine wichtige Erfahrung.

Du warst in dieser Zeit mit einem Schienbeinbruch schwer verletzt. Wie bist Du damit umgegangen und was hat es dich für deine Karriere gelehrt?

David: Ich habe verstanden, dass ich nicht unverwundbar bin. Als junger Kerl mit 18 Jahren dachte ich immer: „mir wird sowieso nichts passieren“. Die Verletzung hat mich ganz schnell auf den Boden der Tatsachen befördert. In dieser Zeit war immer wieder die Familie da, so kam ich auf andere Gedanken. Solche Verletzungen gehören dazu, aber man lernt daraus.

Christian, ihr habt früher viel auf dem Bolzplatz gespielt. Du durftest beim großen Bruder mitspielen und musstest dich im Haifischbecken der „Großen“ beweisen. Hat dich das beeinflusst?

Auf jeden Fall! So habe ich früh gelernt, mich gegen Ältere, Schnellere oder Stärkere durchzusetzen. Man lernt, sich durchzubeißen und nicht aufzugeben. Das hat mich sehr geprägt.

Du kamst aus Liga 3 an den Hardtwald. Wie hast Du das erste Halbjahr in Sandhausen empfunden?

Der Anfang war nicht einfach. Doch die Mannschaft hat mich gut unterstützt und mir Mut zugesprochen. Ich bin froh, dass ich zu Beginn der Rückrunde belohnt wurde und sich die Geduld ausgezahlt hat.

Kommen wir zurück an den Beginn eurer Karrieren: Gestartet bei Germania Wiesbaden, dann über den SV Wehen Wiesbaden rüber zu Mainz 05. Die Vereine liegen nur wenige Kilometer auseinander und nahe eurer Wiesbadener Heimat. Wie wichtig war es, in ein NLZ zu gehen, in dem die familiäre Bindung erhalten bleibt?

David: Für mich war es naheliegend. Ein Wechsel in die Fremde kam nicht infrage, weil mir der Kontakt und Austausch mit der Familie sehr wichtig war. Das war ein Umfeld, in dem ich mich wohlfühle.

Welchen Stellenwert hat die Schule gespielt?

David: Einen sehr großen. Meinen Eltern war die schulische Bildung immer sehr wichtig, hatte höchste Priorität.

Chris, Du bist deinem Bruder in jungen Jahren gefolgt. Was waren hierfür die Beweggründe?

Christian: Für meinen Vater war es fahrtechnisch einfacher, denn Mainz war sehr nahe. Parallel habe ich bei David gesehen, wie es laufen kann. Das gab mir ein positives Gefühl.

Eure Eltern kommen aus der Demokratischen Republik Kongo. Habt ihr dahin noch Verbindungen?

David: Definitiv! Unsere Großeltern und Geschwister unserer Eltern leben dort. Besuchen konnte ich das Land leider noch nicht. Ich musste mehrere Reisen kurz vor Antritt abbrechen. Transfers und Verletzungen haben immer dazwischengefunkt.

Christian: Ich war leider auch noch nicht im Kongo.

David, Du hast für die Deutsche U18-Nationalmannschaft drei Länderspiele gemacht. Besitzt Du die doppelte Staatsbürgerschaft?

David: Ich glaube, das ist ein Mythos, der in Fußballdeutschland kursiert. Eine doppelte Staatsbürgerschaft gibt es im Kongo nicht, soweit ich weiß. Wir könnten aufgrund unserer Eltern für den Kongo spielen, aber eine doppelte Staatsbürgerschaft haben wir nicht.

Gibt es ein Ritual, das ihr vor euren Spielen praktiziert?

Christian: Viele Rituale habe ich nicht. Vorm Spiel ist mir ein kleines Gebet wichtig, das wars dann aber auch.

David: So sieht es bei mir auch aus. Viel mehr mache ich auch nicht.

Welcher Mit- oder Gegenspieler hat Euch bisher am meisten beeindruckt?

Christian: Als Gegenspieler war es Jadon Sancho, zu ihm muss ich nicht viel sagen. Aufseiten der Teamkollegen ist es definitiv mein Bruder.

David: Unabhängig von allem Fußballerischen kann ich eigentlich nur meinen Bruder hervorheben, denn die Situation ist für mich sehr besonders. Davon haben wir als kleine Kinder immer geträumt. Als Gegenspieler war Aubameyang beeindruckend: Er war sehr schnell und sehr stark und wusste genau, wo und wie er sich zu bewegen hat. Er tanzte förmlich auf der Abseitslinie herum.

Ganz unabhängig von der Realisierbarkeit: Welche Fußballträume habt ihr?

Christian: Als kleiner Junge träumt man immer davon, die Champions League zu gewinnen. Das wäre auch heute mein Traum.

David: Ich möchte noch einmal Bundesliga spielen.

Als junger Spieler bist du bereits für Eintracht Frankfurt in den Genuss der Bundesliga gekommen. Wie war das für dich?

David: Ich habe erst kurz vor der Partie erfahren, dass ich auflaufen werde. So bestritt ich mein erstes Bundesligaspiel als linker Verteidiger. Das war sehr besonders, weil ein Traum in Erfüllung ging. Sowas vergisst man nie.

Was wünscht ihr euch für diese Saison?

David: Ich wünsche uns ein ruhiges Jahr, eine sorgenfreie Saison. Wir sollen Spaß am Fußballspielen haben. Ich bin mir sicher, dass wir mit dieser Mannschaft guten Fußball spielen können. Weiterhin wünsche ich mir, dass wir unser für den Gegner unangenehmes Spiel beibehalten – das zeichnet den SVS aus.

Christian: Ich wünsche der Mannschaft eine sorgenfreie Runde. Die Mannschaft soll fit und mit möglichst wenigen Verletzungen bleiben.

 

Fotos (c): SVS/Eibner; SVS/foto2press, SVS/Kinsombi

 

Im Duell: In der vergangenen Saison duellierten sich die Brüder bereits, als der Hamburger SV im BWT-Stadion am Hardtwald gastierte. David kam in der zweiten Hälfte für den HSV ins Spiel, während Chris aufseiten des SVS eingewechselt wurde. Die Partie endete mit einem 1:1-Remis.

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